Bei der Suche nach einem geeigneten Bohrstandort sind viele Kriterien zu beachten. Zunächst bedarf es eines gut ausgewählten Bohrstandortes, von dem ausgehend die Bohrungen in die Tiefe gebracht werden können.
Für die Eignung des oberirdischen Bohrplatzes müssen eine Vielzahl an Anforderungen untersucht werden, denn die Erstellung einer Tiefenbohrung hat immer eine Außenwirkung auf Menschen und Umwelt und so müssen neben bergrechtlichen Vorschriften auch alle umweltrechtlichen Belange beachtet werden.
Hier stehen besonders folgende Schutzgüter im Mittelpunkt: Menschen, Tiere, Pflanzen, Boden, Wasser und Luft.
Allgemeine Anforderungen an den Bohrplatz
- Explorationsgeologische Eigenschaften
- Grundwasserschutz
- Schützenswerte Oberflächengewässer und Biotope
- Artenschutzbestimmung – Vorkommen geschützter Arten
- Naturschutz und Einbindung in das Landschaftsbild
- Lärmschutz – Einhaltung der gesetzlich vorgegebenen Immissionsschutzbelange
- Geeignete Verkehrsanbindung und Infrastrukturmaßnahmen
- Natur – und Bodendenkmäler
Bohrplatz Gräfelfing

Für die Gemeinde Gräfelfing wurden hinsichtlich obiger Kriterien vier Bohrplätze näher untersucht. Schlussendlich fiel die Wahl auf einen Teil der Koppelflächen des Reitvereins nördlich der Würmtalstraße und westlich des Neurieder Wegs. Dieser Standort eignet sich sowohl als Bohrplatz als auch für die zukünftige Heizzentrale. Besonderes Augenmerk galt hierbei den sogenannten explorationsgeologischen Kriterien. Diese zielen auf Strukturen im Untergrund ab, die eine ausreichend hohe Temperatur und Fließrate des Tiefenwassers versprechen und vom Bohrplatz aus gut erreichbar sein müssen. Darüber hinaus liegt das Grundstück weder in einem Bannwald noch in einem Wasser- oder Naturschutzgebiet. Aufbauend auf den schon durchgeführten faunistischen Kartierungen wurde eine spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP) des Standortes durchgeführt, um die Vorgaben des besonderen Artenschutzes einzuhalten.
Welche Kriterien sprechen für den Bohrstandort?
- Bohrtechnische Erreichbarkeit von günstigen geologischen Zielen im Untergrund (Bohrziele)
- Lage außerhalb jeglicher Schutzgebiete
- Ausreichende Entfernung von Wohnbebauung - Immissionsschutz.
- Wärmeabnehmer in unmittelbarer Nähe – bestehendes Fernwärmenetz im Gewerbegebiet
- Nähe zur Gemeinde Gräfelfing, um möglichst kurze Fernwärmeleitungen zu realisieren
- Standort ist bereits durch eine öffentliche Straße erschlossen.
Eignung nach ausführlicher Prüfung durch das Bergamt Südbayern bestätigt
Das Bergamt Südbayern hat ein bergrechtliches Beteiligungsverfahren durchgeführt, in dem eine ganze Reihe von Ämtern Stellung zu dem Vorhaben bezogen haben. Beteiligt waren die Landesämter für Umwelt und Denkmalpflege, das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Ebersberg-Erding, das Landratsamt München als Untere Naturschutz- und Wasserbehörde, das Wasserwirtschaftsamt München und die Gemeinde Gräfelfing.
Mit der Zulassung des Hauptbetriebsplans für den Bohrplatzbau und die Abteufung der Bohrungen hat das Bergamt bestätigt, dass der geplante Bohrplatz an der Würmtalstraße sehr gut geeignet ist. Er liegt außerhalb von Natur-, Landschafts-, Wasser- oder Vogelschutzgebieten, und auch hinsichtlich des Landschaftsbildes und des Denkmalschutzes gibt es keinerlei Bedenken. Um Anwohnende und Tiere vor unvermeidbaren Lärm- und Lichtemissionen beim Bau und während der Bohrungen zu schützen, sind strategisch positionierte Schallschutzwände und eine adäquate Beleuchtung vorgesehen.
Um das Grundwasser zu schützen, werden die Bohrungen innerhalb von 60 Meter tiefen Standrohren vorgenommen, sodass Grundwasser und Bohrspülung keinesfalls in Kontakt kommen. Ein seismisches Messstellennetz sorgt dafür, dass auch geringste Erschütterungen sofort wahrgenommen werden und entsprechend reagiert werden kann.
Erkundung des Untergrundes
Um einen sicheren und erfolgreichen Bohrprozess zu gewährleisten, wurde der Untergrund im Vorfeld mithilfe von seismischen Messungen erkundet. Durch die Reflektion der Schallwellen an den Grenzflächen der verschiedenen Gesteinsschichten können Geolog:innen den Untergrund zwei- und dreidimensional darstellen, um anschließend eine detaillierte Bohrplanung zu ermöglichen.
Bereits im Sommer 2009 führte die DMT GmbH & Co. KG im Auftrag der Balthasar Trinkl GmbH & Co. KG solche reflexionsseismischen Messungen im Gemeindegebiet von Gräfelfing und Planegg durch, mit dem Ziel die geologischen Strukturen bis in eine Tiefe von 4.000 m zu erfassen. Die anschließende Auswertung der gewonnenen Daten gab Hinweise auf ergiebige heiße Tiefenwasservorkommen im Aufsuchungsfeld.

Bohrung und hydraulische Tests
Aktuell sind zwei Tiefbohrungen im Tiefengeothermieprojekt Gräfelfing geplant. Für die Förderbohrung werden Tiefenwassertemperaturen von rund 100 °C erwartet. In der Reinjektionsbohrung soll das abgekühlte Tiefenwasser mit etwa 55 °C wieder in den Untergrund zurückgeführt werden.
Zielhorizont beider Bohrungen stellen die Kalksteine des sogenannten Malms oder Oberjuras dar. Diese bilden aufgrund ihrer meist hohen Ergiebigkeit und einer weitreichend großen Tiefenlage den wichtigsten geothermischen Tiefenwasserleiter im süddeutschen Molassebecken. In der Gemeinde Gräfelfing wird die Bohrung bis in eine Tiefe von rund 2.900 m abgeteuft.
Die Bohrungen werden zunächst vertikal und mit zunehmender Tiefe mit seitlicher Ablenkung in den Untergrund gebracht, um die wasserführende Schicht effektiv zu erschließen. Dabei stellen selbst horizontale Strecken technisch keine Schwierigkeit dar. Besonders sogenannte „geologische Störungen“ gilt es anzubohren. Dabei handelt es sich um Bruchzonen im Untergrund, entlang derer das Tiefenwasser besonders gut zirkulieren kann. Im tiefen Untergrund von Gräfelfing wurden einige dieser Störungen identifiziert.
Sind die Kalksteine des Malm-Aquifers durch die Bohrung erschlossen, werden hydraulische Tests durchgeführt, um die Eigenschaft des Reservoirs genau zu ermitteln. Ziel dieser Versuche ist es die Produktivität der Bohrung und damit die realisierbare Förderrate zu bestimmen. Darüber hinaus werden Proben des Tiefenwassers entnommen, um eine hydrochemische Charakterisierung vorzunehmen, die eine wichtige Grundlage für die werkstoffliche Auslegung und Dimensionierung der obertägigen Geothermieanlage bildet.