Geschrieben von Gast (nicht überprüft) am Do., 06.02.2020 - 00:00

„Tiefe Geothermie ist die einzige Energieform, die große Mengen an Wärme und Strom CO2-frei zur Verfügung stellen kann“, verdeutlichte Dr. Jochen Schneider von Enerchange, dem Veranstalter des Praxisforums Geothermie Kommunal, während seiner Begrüßungsrede. „Damit wird die Technologie zum Motor der Wärmewende in Bayern.“

Dies unterstrich auch Dr. Christian Pletl, Abteilungsleiter Dezentrale Erzeugung und Erneuerbare Energien bei den Stadtwerken München, in seinem Vortrag und zitierte Frau Christiane Lohse vom Umweltbundesamt folgendermaßen: „Kombinierte Strom- und Wärmegewinnung aus geothermischen Ressourcen stellt im Vergleich mit allen anderen regenerativen oder fossilen Systemen die bei weitem umwelt- und klimafreundlichste Form der Energiegewinnung dar.“

Weiter führte Pletl aus, dass der Wärmemarkt stagniere, obwohl es zahlreiche Studien von namhaften Einrichtungen gibt, die die Bedeutung der Geothermie für den Wärmesektor hervorheben. Er verwies dabei auf die Vorreiterrolle von Bayern, 23 geothermische Anlagen sind hier störungsfrei im Betrieb. Rückenwind bekommt die Geothermie durch Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger, der einen Masterplan Geothermie entwickeln will.

Von der Voruntersuchung bis zum Betrieb
Im folgenden Vortragsblock erklärten Vertreter von kommunalen Unternehmen, Behörden und aus der Wissenschaft die vier Phasen eines Geothermieprojektes: Voruntersuchungen, Bohrarbeiten, Energienutzung und Betrieb der geothermischen Anlage. Dr. Ralph Baasch von der Innovativen Energie Pullach (IEP), eine hundertprozentige Tochter der Gemeinde, verdeutlichte die ersten Schritte eines Geothermieprojektes. Einen Schwerpunkt legte er auf die seismischen Untersuchungen, die die IEP im Süden von Pullach durchgeführt hat, um die Bohrziele zu identifizieren.

Auf die Bohrarbeiten und die Genehmigungs- und Überwachungsverfahren von Seiten der Regierung von Oberbayern ging Bergdirektor Peter Freiherr von Pastor ein. Wichtig sei im Rahmen der Genehmigungsverfahren das Zusammenspiel verschiedener Behörden des Landes, zum Beispiel das Wasserwirtschaftsamt, von Landratsämtern sowie von Gemeinden, privaten Dritten und verschiedenen Verbänden. Sie alle sind angemessen zu beteiligen. Grundsätzlich hat der Antragsteller ein Recht auf die Zulassung des Betriebsplans. Er muss indes eine Sicherheitsleistung erbringen, so dass nach der Nutzung das Gelände wieder entsprechend hergestellt werden kann. Ebenso achtet das Bergamt auf den Schutz der Umwelt und der Gewässer bei den Arbeiten sowie auf die Integrität der Bohrung, die mit entsprechend zugelassenem Zement und Stahlrohren sichergestellt werden muss.

Geothermische Wärmenutzung bietet großes Potenzial
Christopher Schifflechner von der Technischen Universität München verdeutlichte in seinem Vortrag die Nutzungsmöglichkeiten der tiefen Geothermie. Neben der Stromerzeugung, die in vielen Projekten für die Wirtschaftlichkeit grundlegend ist, bietet vor allem die Wärmenutzung ein großes Potenzial. Dabei dient sie beileibe nicht nur zum Heizen, sondern auch für Gewächshäuser, wie die Anlage in Kirchweidach, für Fischzucht, Trocknung und selbst für Brauprozesse und die Schnapsdestillation. Zukünftig wird die Geothermie auch den steigenden Bedarf an Kälteerzeugung decken, führte Schifflechner weiter aus.

Im letzten Vortrag des Vormittags stellte Thomas Stockerl von der Geothermie Unterschleißheim AG (GTU AG) die Betriebszahlen der Anlage vor. Schon zehn Jahre nach der Inbetriebnahme warf die 2004 errichtete Anlage bereits Gewinne ab. Nun freut sich Stockerl noch auf viele Jahre Betrieb, der auf Grund des Wärmebergbaugutachtens bis über das Jahr 2040 hinaus garantiert ist. Wie störungsfrei die Anlage funktioniert, zeige sich unter anderem daran, dass seit über zehn Jahren dieselbe Pumpe im Einsatz sei und die Fördertemperatur relativ konstant bei 78 Grad Celsius liege.

Kommunale Erfahrungen mit Geothermieprojekten
Nach dem Mittagsimbiss und den Ausführungen zu den aktuellen Bohrarbeiten am Standort Heizkraftwerk Süd, die mit Erreichen der Endteufe von 4.443 Meter Bohrlochlänge bei der sechsten Bohrung am Vortag erfolgreich abgeschlossen worden waren, lud Dr. Willie Stiehler von der Energieagentur Südostbayern die vier Bürgermeister*innen zur Podiumsdiskussion. Trotz Kommunalwahlkampf hatten sie sich die Zeit genommen, zum Praxisforum Geothermie Kommunal nach München zu kommen.

Frau Dr. Birgit Seeholzer, 3. Bürgermeisterin der Gemeinde Trostberg und Geschäftsführerin der Wirtschaftsförderung GmbH im Landkreis Traunstein, ging in ihrem Eingangsstatement unter anderem auf die Herausforderungen bei der Energieversorgung ihres Landkreises ein. Zwar sei Traunstein mit den bestehenden Biogasanlagen gut aufgestellt und erreiche das Ziel an erneuerbaren Energien schon jetzt, doch nach Auslaufen der EEG-Förderung seien zahlreiche Anlagen zukünftig nicht mehr wirtschaftlich. Aus diesem Grund freue sie die zunehmende geothermische Aktivität. Sie betonte, dass neben der elektrischen Nutzung auch für die Wärme Nutzungskonzepte entwickelt werden müssten. Der Bedarf im Landkreis Traunstein sei vorhanden.

Bürgermeisterin Susanna Tausendfreund aus Pullach führte aus, dass das Geothermieprojekt in Pullach inzwischen über ein 45 Kilometer langes Fernwärmenetz verfüge, das neben der Wärme auch ein Bürogebäude mit Kälte versorge. „Ich bin sehr froh, dass die IEP zu 100 Prozent in Gemeindehand geblieben ist“, verdeutlichte die Bürgermeisterin die Bedeutung der kommunalen Daseinsvorsorge mit Bezug auf den Netzausbau und die Preisgestaltung. Sie fügte hinzu, dass die IEP jetzt auch der Stromversorger von Pullach sei, da sie die Ausschreibung des Stromnetzes gewonnen habe. Mittlerweile ist zusammen mit den Stadtwerken München ein weiteres Projekt im Süden von Pullach in der Planung, das eine nachhaltige Redundanz für die Wärmeversorgung in Pullach bieten und mit einer Fernwärmeleitung nach München die beiden Netze verbinden soll.

Große Zustimmung in den Gemeinderäten
Bürgermeisterin Uta Wüst aus Gräfelfing ist zwar noch nicht ganz so weit mit der geothermischen Entwicklung in ihrer Gemeinde, sie sieht in der Technologie aber eine große Chance. So befürworten auch alle Fraktionen im Gemeinderat die Pläne zur Geothermienutzung. Die Gemeinde Gräfelfing sucht in einer europaweiten Ausschreibung noch einen Partner, der die Erschließungsarbeiten übernimmt und auch das Fernwärmenetz betreibt. Ziel ist es, eine gemeinsame Gesellschaft zu gründen, in der die Gemeinde die Mehrheit hat.

Mit zu den Pionieren der Geothermie gehört Unterföhrings erster Bürgermeister Andreas Kemmelmeyer. Er hat wie seine Kollegin aus Pullach das Projekt schon als Gemeinderat begleitet. Unterföhring ist der erste kommunale Standort in Deutschland, der nach einer ersten eine weitere Dublette erschlossen hat. Nachdem das Geothermieprojekt 2006 angestoßen worden war, besuchte man unter anderem die Geothermieanlage Pullach, um Erfahrungen zu sammeln. Auch Kemmelmeyer vertritt zusammen mit seinem Gemeinderat die Ansicht „Wir machen das alles selber!“ und so ist die Geovol eine hundertprozentige Gemeindetochter. Sie hat mit der Erschließung des geothermisch beheizten Fernwärmenetzes zahlreiche Öl- und Gasheizungen verdrängt. Insgesamt versorgt sie 2.800 Haushalte und zahlreiche Unternehmen, darunter zwei DAX-Konzerne. „Eins der Hauptverkaufsargumente für die Fernwärmeanschlüsse war das kohlebefeuerte Heizkraftwerk Nord im Süden der Gemeinde.“

Gleichbehandlung mit anderen Energiesystemen und Unterstützung beim Ausbau der Fernwärmenetze notwendig
In der anschließenden Podiumsdiskussion waren die Diskussionsteilnehmer*innen sich einig, dass die Geothermie ein entscheidender Bestandteil der dringend notwendigen Dekarbonisierung der Wärmeversorgung ist. Es bedarf hierbei unbedingt einer Gleichbehandlung in der Förderung mit anderen – zum Teil sogar fossilen – Energiesystemen. Wichtig wäre auch eine Unterstützung beim Ausbau der Fernwärmenetze.

Zusammenfassend ist Dr. Jochen Schneider sehr zufrieden mit dem ersten Praxisforum Geothermie Kommunal: „Die Diskussion und die unerwartet große Teilnehmerzahl haben gezeigt, dass die Nutzung der tiefen Geothermie bei den Kommunen auf großes Interesse stößt. Das Format bietet sicher Potenzial auch für andere Regionen, um die Kommunen in die Technologie einzubinden. Für diese erste Veranstaltung möchte ich mich bei den Referent*innen aber auch bei den Stadtwerken München herzlich bedanken, die die Veranstaltung unter anderem mit der Bereitstellung der Räumlichkeiten mit Blick auf das aktuelle Bohrprojekt ermöglicht haben.“

Quelle

Karin Jehle/Enerchange